Internationaler Tag gegen Rassismus 2020

Am 21. März ist der von den Vereinten Nationen ausgerufene "Tag gegen Rassismus". Worum geht es dabei, welche Diskriminierungen erfahren lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche, queere und nicht-binäre Schwarze und People of Color und was kann dem entgegengesetzt werden?

Der Internationale Tag gegen Rassismus geht auf schwarzen Widerstand gegen das Apartheidsystem Südafrikas zurück. Er bietet einen Anlass, um auf die missliche Menschenrechtssituation von Schwarzen Deutschen, Rom_nja und Sinte_zza1, Menschen mit Migrationsgeschichte und anderen LSBTIQ of Color hinzuweisen und wirksame Gegenmaßnahmen einzufordern.

Diskriminierungserfahrungen von Schwarzen LSBTIQ und LSBTIQ of Color in Deutschland

LSBTIQ of Color sind mehrfach und spezifisch von Diskriminierungen betroffen. Sie machen Gewalterfahrungen nicht nur vonseiten der weißen Dominanzgesellschaft, sondern auch in Communitys of Color und/oder queeren Communitys.

Rassismus äußert sich nicht immer offenkundig und bewusst, sondern auch in subtiler Form. Beiläufige Fragen und Kommentare wie "Wo kommst du her?" oder "Mit eine_r Asiat_in habe ich noch nie geschlafen" sind rassistisch. Dass Menschen, die einen Hijab tragen, oftmals nicht als queer gelesen werden, ist gleichermaßen ausgrenzend. Viele LSBTIQ of Color fühlen sich von weißen LSBTIQ, die sich nicht kritisch mit ihrem Weiß-Sein auseinandersetzen, nicht gesehen oder werden gar exotisiert und fetischisiert.

Gleichzeitig begegnen LSBTIQ of Color auch Vorurteile und Ausgrenzung in Communitys of Color: etwa wenn behauptet wird, Homosexualität sei nicht Teil der "eigenen Kultur" und Ergebnis weißen Einflusses. Auch dies ist eine Auswirkung von Kolonialisierung. Die Folgen sind Isolation und Vereinzelung.

Vergessen wird auch oft, dass alle Menschen in sich vielfältig sind – so auch LSBTIQ of Color. Eine lesbische Schwarze cis Frau mit deutschem Pass und Hochschulabschluss hat andere Möglichkeiten, sich gegen Diskriminierungen zu wehren, als ein queerer Geflüchteter ohne anerkannte Schulbildung, der von Abschiebung bedroht ist. Ein_e nicht-binäre_r Viet-Deutsche_r mit einer nicht sichtbaren psychischen Beeinträchtigung macht nicht die gleichen Erfahrungen wie eine bisexuelle Schwarze trans* Frau mit einer sichtbaren Behinderung. Ein junger schwuler Muslim macht andere Diskriminierungserfahrungen als ein junger schwuler Jude.

Allgemein gibt es in der Gesellschaft zu wenig Wissen über die Bedürfnisse von LSBTIQ of Color, was eine schlechte Unterstützungssituation und Nachteile bei der gesundheitlichen Versorgung bedingt. 

Was verbessert werden kann

Ein grundlegender Aspekt für eine Verbesserung der Lage wäre ein angemessenes Verständnis von Rassismus. Unter weißen Menschen ist oftmals die Meinung verbreitet, Rassismus gehöre in Deutschland der nationalsozialistischen Vergangenheit an und/oder sei eine menschenfeindliche Einstellung, die sich auf Rechtsextremismus beschränke. Tatsächlich umfasst der Begriff Rassismus mehr als das: Er beschreibt ein Wahrnehmungssystem, das Menschen anhand äußerlicher Merkmale unterscheidet und hierarchisiert. Gruppen(-zugehörigkeiten) werden konstruiert und diesen bestimmte Eigenschaften und (Un-)Fähigkeiten zugeschrieben. In diesem System bilden weiße Menschen die Norm und verfügen deswegen über Vorteile und entsprechend mehr Macht als Schwarze und PoC.

Auch ist antirassistischer Aktivismus in Deutschland nach wie vor notwendig. Wichtig sind zum Beispiel Diskussionen zum Umgang mit rechtem Terror, ignorierendem Verhalten gegenüber dem Wiedererstarken rechter Kräfte, der Verleugnung des kolonialen Erbes, notwendigem Engagement im Zuge der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft, notwendiger Diversität in Institutionen und Medien und seelischen Verletzungen, denen Schwarze Menschen und PoC alltäglich ausgesetzt sind, sowie verdachtsunabhängigen Personenkontrollen und der Diskussion um "racial profiling".

Einmalige Aktionen sind nicht genug. Jede_r kann etwas tun. Der Kampf für Gleichberechtigung und gegen alle Formen von Diskriminierung ist eine Frage der Haltung und erfordert, die eigene gesellschaftliche Positionierung zu reflektieren. Schwarze LSBTIQ und LSBTIQ of Color können sich empowern, vernetzen oder auch politisch engagieren, wie zum Beispiel in der Black-Lives-Matter-Bewegung. Weiße Menschen können Verantwortung übernehmen, sich informieren, ihre Position dazu nutzen, ungehörten Stimmen Gehör zu verschaffen, Raum lassen und geben, Initiativen (materiell) unterstützen, aktiv einschreiten und Rassismus benennen, wenn er stattfindet.

Bei "Rom_nja und Sinti_ze" handelt es sich um die gegenderte Version von "Roma und Sinti". Vgl. Neue deutsche Medienmacher e. V. (2019): "Roma" sowie "Sinti". In: NdM-Glossar. Wörterverzeichnis der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM) mit Formulierungshilfen, Erläuterungen und alternativen Begriffen für die Berichterstattung in der Einwanderungsgesellschaft, S. 44 sowie S. 45. Zuletzt abgerufen am 26.11.2019 von https://www.neuemedienmacher.de/Glossar_Webversion.pdf.