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Jung und intergeschlechtlich

Manche haben einen Jungenkörper, andere einen Mädchenkörper. Und manche haben einen intergeschlechtlichen Körper – für euch gibt's hier Infos.

Was bedeutet „intergeschlechtlich“?

Wer inter* ist, hat gleichzeitig männliche und weibliche körperliche Merkmale oder solche, die sich nicht zuordnen lassen. Das muss nicht äußerlich sichtbar sein, sondern kann zum Beispiel die Hormone, Gene oder inneren Organe betreffen.

Es gibt ganz verschiedene Formen von Intergeschlechtlichkeit und entsprechend viele, oft kompliziert klingende medizinische Begriffe dafür. Um diese Vielfalt abzubilden, wird auch von „Varianten“ oder „Variationen der Geschlechtsentwicklung“ gesprochen.

Bin ich anders?

Wenn man genau hinschaut, sind alle Menschen sehr verschieden gebaut. So sind wir zum Beispiel unterschiedlich groß oder haben verschiedene Augenfarben. Beim Thema Geschlecht haben viele Menschen gelernt, sich selbst und andere in eine von zwei Schubladen zu sortieren: Mann oder Frau. Das klappt aber nicht immer, weil die Natur mehr als zwei eindeutige Geschlechter kennt.

Man könnte also auch sagen: Du bist anders – wie alle anderen auch.

Was kommt in der Pubertät auf mich zu?

Es kann sein, dass dein Körper sich anders entwickelt als bei den Jugendlichen, die du kennst. Vielleicht hast du dich deshalb gewundert und daraufhin Mediziner*innen aufgesucht. Bei den anschließenden Untersuchungen kam dann heraus, dass du inter* bist.

Das kann erst mal ganz schön heftig sein. Aber: Die Pubertät ist für die meisten eine verwirrende Zeit. Viele Jugendliche fühlen sich unter Druck gesetzt, weil ihr Körper nicht so aussieht wie bei den Vorbildern in der Werbung, im Fernsehen oder im Internet. Für inter* Jugendliche kann diese Zeit besonders herausfordernd sein, weil immer noch nicht genug Leute wissen, wie unterschiedlich Körper sind und dass das normal ist.

Wo kann ich andere inter* Jugendliche kennenlernen?

Oft denken inter* Menschen am Anfang, sie seien ganz allein. Denn in der Schule oder in den Medien sind intergeschlechtliche Menschen und Themen immer noch nicht so häufig vertreten wie es zu wünschen wäre.

Aber inter* Jugendliche organisieren sich und verschaffen sich weltweit immer mehr Gehör: etwa in Blogs, bei Eltern-Kind-Treffen oder internationalen Jugendkonferenzen. Im Internet findest du Foren und Gruppen, die sich speziell an inter* Menschen wenden. Es gibt Vereine, die überregionale Treffen veranstalten und queere Jugendgruppen vor Ort, die auch inter* Menschen eine Austauschplattform bieten. Eine erste Anlaufstelle ist zum Beispiel der Verein Intergeschlechtliche Menschen e.V..

Muss ich medizinisch behandelt werden?

Intergeschlechtlich zu sein ist keine Krankheit. Es kann aber aufgrund der durch medizinisches Fachpersonal gestellten Diagnose sein, dass du zum Erhalt deiner Gesundheit weitere Untersuchungen machen oder Medikamente wie Ersatzhormone nehmen sollst. Wichtig ist hierbei: Wenn du die Befunde der Mediziner*in oder die Gründe, zum Beispiel für weitere Untersuchungen, nicht verstehst, solltest du nachfragen, bis für dich Klarheit besteht. Tipps für die Suche nach geeigneten medizinischen Praxen findest du in diesem Artikel.

Und es gibt Regeln zum Umgang mit Intergeschlechtlichkeit, die für alle Mediziner*innen gelten. Diese „Leitlinien“ besagen: Kinder und Jugendliche müssen mitentscheiden dürfen. Operationen sollen nur passieren, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, die Gesundheit zu erhalten.1 Diesem Leitgedanken folgt auch das „Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“. Es sieht unter anderem vor, dass geschlechtsverändernde operative Eingriffe an Kindern und Jugendlichen auf Wunsch der Eltern nur noch möglich sind, falls diese nicht später durchgeführt werden können. Ob eine Operation notwendig ist, wird durch ein Familiengericht geprüft.2 Bei Kindern bis zehn Jahren wird hierbei davon ausgegangen, dass bei diesen die sogenannte Einwilligungsfähigkeit noch nicht gegeben ist. Bei Jugendlichen bis 16 Jahren hingegen wird geprüft, ob diese einwilligungsfähig sind.3 Inzwischen weiß man, dass es auch sehr wichtig sein kann, dass Körper erst mal so bleiben dürfen, wie sie sind.

Wenn du dich nach reiflicher Überlegung und aus eigenem Antrieb dazu entschieden hast, dass du deinen Körper auf medizinischem Wege deiner Identität anpassen möchtest, lassen sich verschiedene Wege beschreiten. Du solltest dich zunächst umfassend über die verschiedenen Möglichkeiten und Voraussetzungen informieren. Dazu ist es ratsam, möglichst frühzeitig Kontakt mit einer Beratungsstelle aufzunehmen. Im Regenbogenportal findest du passende Angebote. Gut wäre es, wenn du dabei auch auf die Unterstützung deiner Familie und deiner Freund*innen zählen könntest.

1 Deutsche Gesellschaft für Urologie/Deutsche Gesellschaft für
Kinderchirurgie/Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie (Hrsg.) (2016): S2k-Leitlinie
Varianten der Geschlechtsentwicklung. Zuletzt abgerufen am 09.03.2018 von
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/174-001l_S2k_Geschlechtsentwicklung-Varianten_2016-08_01.pdf.

2 Bundesministerium der Justiz (2021): „Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“. In: www.bgbl.de. Zuletzt abgerufen am 02.05.2023 von https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=//*%5B@attr_id=%27bgbl121s1082.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s1082.pdf%27%5D__1682592344238; Beckmann, Lea/Stotsch, Fabrizia von (2021): „Zwangsoperationen an intergeschlechtlichen Kindern. Wie viel Schutz bietet das neue Gesetz wirklich?“ In: https://www.lto.de/. Zuletzt abgerufen am 02.05.2023 von https://www.lto.de/recht/justiz/j/gesetz-zum-verbot-geschlechszuweisender-operationen-bei-intergeschlechtlichen-kindern-in-kraft-menschenrechte/.

3 Intergeschlechtliche Menschen e.V. (2021): „Stellungnahme: Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“. In: https://im-ev.de/. Zuletzt abgerufen am 02.05.2023 von https://im-ev.de/wp-content/uploads/2022/02/2021-06-15-Stellungnahme-Gesetz-zum-Schutz-von-Kindern-mit-VdG.pdf; Inter NRW (o. A.): „‚Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung‘ (Mai 2021)“. In: https://inter-nrw.de/. Zuletzt abgerufen am 02.05.2023 von https://inter-nrw.de/gesetz-zum-schutz-von-kindern-mit-varianten-der-geschlechtsentwicklung-mai-2021/.