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Regenbogenfamilien: Die rechtlichen Rahmenbedingungen

Regenbogenfamilien existieren in einer Vielfalt von Konstellationen. Wünschen sie sich Kinder, sehen sie sich mit vielen rechtlichen Hürden konfrontiert – sei es bei der Anerkennung der Elternschaft oder bei Adoptionsverfahren.

Unsere Welt trägt – wie unsere Familien – viele Gesichter. Eines der „jüngeren Gesichter“ sind Regenbogenfamilien, das heißt Familien, in denen mindestens ein Elternteil entweder gleichgeschlechtlich oder bisexuell liebt oder transgeschlechtlich ist. Aktuell wachsen in Deutschland mehrere tausend Kinder in Regenbogenfamilien auf und die Zahl steigt stetig.

Regenbogenfamilie“ bezeichnet eine Fülle familiärer Konstellationen und Lebenswirklichkeiten. Die Mehrheit der Kinder lesbischer Mütter und schwuler Väter stammt wahrscheinlich auch heute noch aus vorangegangenen heterosexuellen Bezügen.

Lesben und Schwule gründen jedoch nach ihrem Comingout verstärkt selbstbewusst und selbstverständlich Familien.1 Diese Kinder werden meist in Mütterfamilien hineingeboren – mithilfe einer Samenspende von einer Samenbank oder durch eine private Samenspende. In Väterfamilien werden die Kinder in Deutschland vor allem als Pflegekinder aufgenommen.

Adoptivkinder finden in Mütter- oder Väterfamilien bislang nur vereinzelt ein neues Zuhause. Von diesen werden die meisten entweder im Ausland adoptiert oder lebten zuvor bereits in einem Pflegeverhältnis mit einem Mütter- oder Väterpaar innerhalb Deutschlands.

Regenbogenfamilien umfassen immer häufiger auch Mehrelternkonstellationen, in denen sich Menschen zusammenfinden, um einen Kinderwunsch zu verwirklichen, ohne ein Liebespaar zu sein.

Zum Recht auf Eheschließung

In den vergangenen Jahren haben Regenbogenfamilien zunehmend rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung erfahren. Der letzte bedeutende Schritt war hier die sogenannte „Ehe für alle“. Seit dem 1. Oktober 2017 können zwei Personen unabhängig von ihrem Geschlecht in Deutschland eine Ehe miteinander eingehen. Diese Rechtsform beinhaltet (beinahe) alle Rechte heterosexueller Ehepaare im Hinblick auf steuer-, familien- und sorgerechtliche Aspekte, wie zum Beispiel das gemeinsame Adoptionsrecht.

Zur Anerkennung der rechtlichen Elternschaft

In Bezug auf die Elternschaft von Regenbogenfamilien besteht bisher noch eine abstammungsrechtliche Ungleichbehandlung von Mütter- und Väterpaaren gegenüber heterosexuellen Elternpaaren: Ist ein Mann zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet, wird er automatisch rechtlicher Vater des Kindes. Dies gilt auch dann, wenn das Kind mithilfe einer Samenspende von einer Samenbank gezeugt wurde. Für eine Frau, die zum Zeitpunkt der Geburt eines Kindes mit dessen Mutter verheiratet ist, gilt diese Regelung nicht.

Unverheiratete heterosexuelle Paare haben die Möglichkeit, ein Kind bereits vor der Geburt als rechtliches Kind anzuerkennen. Anderen, wie zum Beispiel gleichgeschlechtlichen Paaren, steht diese Option bisher nicht offen.

Zur Nutzung von Samenbanken

Das geltende Abstammungsrecht führt in der Praxis zu Problemen bei der Verwirklichung eines leiblichen Kinderwunsches für Frauenpaare. Anders als in vielen europäischen Nachbarländern unterstützen in Deutschland nicht alle Samenbanken oder Kinderwunschzentren lesbische Paare bei einem Kinderwunsch.

Weil der soziale Elternteil nicht automatisch auch als zweiter rechtlicher Elternteil anerkannt wird, sind die Kinder zum Zeitpunkt der Geburt nicht doppelt rechtlich abgesichert. Gleichzeitig kann der Prozess der Anerkennung als rechtlicher Elternteil eine gewisse Zeitspanne in Anspruch nehmen.

Die Bundesärztekammer hat zwar am 20.04.2018 eine neue (Muster-)Richtlinie zur „Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion“2 verabschiedet, durch die sich für Frauenpaare jedoch nichts ändert. Denn die Bundesärztekammer äußert sich nicht zur rechtlichen Zulässigkeit der assistierten Reproduktion, sondern verweist auf den Gesetzgeber. Deshalb sind Frauenpaare weiterhin auf den guten Willen der Samenbanken und gynäkologischen Praxen angewiesen. Darüber hinaus bleiben die (unterschiedlichen) Richtlinien zur assistierten Reproduktion der Landesärztekammern weiterhin in Kraft.

Frauenpaare berichten davon, dass sie es vorziehen würden, den Kinderwunsch mit einer privaten Samenspende anstatt über die Nutzung einer Samenbank zu verwirklichen, auch weil ihr Kind so leichter seine*n „biologische*n Erzeuger*in“ kennenlernen könne.

Zum Teil nutzen lesbische Paare den Weg über (teils überteuerte) Angebote im Ausland. In vielen europäischen Nachbarländern – wie beispielsweise in den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Spanien – stehen reproduktionsmedizinische Angebote gleichgeschlechtlichen Paaren uneingeschränkt offen.

Zur (derzeit noch notwendigen) Stiefkindadoption

Gleichgeschlechtliche Paare müssen in Deutschland nach wie vor den Weg über eine Stiefkindadoption gehen, wenn beide rechtliche Eltern werden wollen – auch wenn das gemeinsame Wunschkind in der Partnerschaft geboren wurde. Eine Stiefkindadoption bedeutet für Familien aufgrund der damit verbundenen Prüfungen des Jugendamts und des Gerichts teilweise einen Bewährungsdruck.

Zu Adoptionsmöglichkeiten nicht-leiblicher Kinder

Als Adoptiveltern werden Väter- oder Mütterpaare nicht in allen Kommunen als üblich angesehen. Darüber hinaus stehen den sehr wenigen Kindern, die in Deutschland zur Adoption freigegeben werden, sehr viele Adoptionsinteressierte gegenüber. Wenn Kinder durch eine Adoption in einer Regenbogenfamilie ein neues Zuhause finden, sind dies häufig Kinder aus dem Ausland oder Pflegekinder, die bereits längere Zeit mit dem Mütter- oder Väterpaar zusammengelebt haben.

Jedoch sind in den vergangenen Jahren mehr und mehr Herkunftsländer dazu übergegangen, Kinder nicht mehr in Auslandsadoptionen zu vermitteln. Auch unterzeichnete zum Beispiel der russische Präsident Wladimir Putin am 30. Juni 2013 ein Gesetz, das in Russland jegliche positiven Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder in den Medien unter Strafe stellt. Am 3. Juni 2013 beschloss das russische Unterhaus ein Gesetz, wonach die Adoption russischer Kinder in Ländern mit legaler „Homo-Ehe“ nur unter strengen Auflagen möglich ist.3

Zur (in Deutschland verbotenen) Leihmutterschaft

Die „Leihmutterschaft“, die Austragung eines Kindes im Auftrag anderer Menschen, ist in Deutschland verboten. Dabei wird häufig eine Eizellenspende verwendet und die „Leihmutter“ gibt vertraglich alle Elternrechte ab. Zur Rechtslage finden sich nähere Informationen auf den Seiten des Auswärtigen Amtes und auf familienplanung.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (hier und hier). 

Je nachdem, ob und wie in einem ausländischen Staat die Möglichkeit einer Leihmutterschaft geregelt ist, kann zum Beispiel eine Absicherung gegenüber möglichen gesundheitlichen Risiken für die Leihmütter gegeben sein oder auch nicht; die Gefahr der Ausbeutung von Frauen in Notsituationen kann ebenso stark variieren wie sehr komplexe rechtliche Fragen zur genetischen Verwandtschaft und rechtlichen Elternschaft.

Die rechtliche Elternschaft ist im Rahmen von ausländischen Leihmutterschaften schon deshalb nicht regelbar, da nach deutschem Recht ein Vertrag über eine Leihmutterschaft keine rechtswirksame Elternschaft begründet: Die deutsche Rechtsordnung sieht vor, dass die rechtmäßige Mutter eines Kindes diejenige Frau ist, die es ausgetragen und zur Welt gebracht hat. Ist die Leihmutter verheiratet, kann der Wunschvater nach deutscher Rechtsordnung die Vaterschaft nicht anerkennen. In diesem Fall hätte das Kind keine deutsche Staatsbürgerschaft, würde keinen deutschen Reisepass erhalten und die Wunscheltern würden bei ihrer Einreise mit dem Baby nach Deutschland Probleme bekommen.

Als Ausblick

Regenbogenfamilien sind heute ein fester Bestandteil unserer Familienlandschaft und bringen einiges in Bewegung. Sie laden dazu ein, nachzudenken: über Familienformen und Elternrollen, über die Bedingungen, unter denen Kinder gut aufwachsen können, und über die Möglichkeiten moderner Reproduktionsmedizin.

Denn Frauen- und Männerpaare brauchen fast immer eine dritte Person, um einen Kinderwunsch zu verwirklichen. Damit sind sie jedoch nicht allein. Weltweit benötigen Menschen im zweistelligen Millionenbereich reproduktionsmedizinische Unterstützung, um ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. Allein in Deutschland sind es weit über eine Million und sie nutzen die Möglichkeiten im In- wie im Ausland.4

Diesen komplexer werdenden Beziehungsmustern und den Auswirkungen der Reproduktionsmedizin auf die Familienlandschaft wird das deutsche Familien- und Abstammungsrecht Rechnung tragen müssen, denn sie gehören – ebenso wie Regenbogenfamilien – zu unserer gelebten Familienwirklichkeit. Die rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen bei sogenannten Wunschelternschaften sollte dabei nur ein erster Schritt von vielen sein.5

1 Siehe zu den nachfolgenden Ausführungen Jansen, Elke/Jansen, Kornelia (2018): "Sind nicht alle Familien bunt? Ein Trainingsmanual – berührend • leicht • wirksam". Herausgegeben vom Familien- und Sozialverein des LSVD. Zuletzt abgerufen am 16.12.2020 von www.regenbogenkompetenz.de/wp-content/uploads/2018/07/LSVD_TM_-RBF-Kompetenz.pdf.

2 Bundesärztekammer (2018): "Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion". In: Deutsches Ärzteblatt. 11.05.2018. Zuletzt abgerufen am 16.12.2020 von https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/RL/Ass-Reproduktion_Bekanntgabe.pdf. Weitere Informationen zur Umsetzung der (Muster-)Richtlinien vonseiten der Landesärztekammern finden sich auf den Seiten des Rechtsratgebers des Lesben- und Schwulenverbands, zuletzt abgerufen am 16.12.2020 von https://www.lsvd.de/de/ct/1372-Zugang-zu-Samenbanken-Samenspende-fuer-lesbische-Frauen.

3 O. A. (2013): "Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare". In: Handelsblatt, 21.06.2013. Zuletzt abgerufen am 16.12.2020 von https://www.handelsblatt.com/politik/international/russland-adoptionsverbot-fuer-gleichgeschlechtliche-paare/8390812.html; Lesben- und Schwulenverband (2013): "Duma kriminalisiert 'nicht traditionelle sexuelle Verhältnisse'". In: LSVD-Verein für europäische Kooperation e.V.

4 Sütterlin, Sabine/Hoßmann, Iris (2007): "Ungewollt kinderlos. Was kann die moderne Medizin gegen den Kindermangel in Deutschland tun?" Herausgegeben von Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. S.6; Thorn, Petra (2008): "Expertise. Reproduktives Reisen." Herausgegeben von pro familia. S. 4. Zuletzt abgerufen am 16.12.2020 von www.profamilia.de/fileadmin/publikationen/Fachpublikationen/expertise_reproduktives_reisen.pdf.

5 Informationen finden sich zum Beispiel im Beitrag: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2017): "Arbeitskreis Abstammungsrecht übergibt Abschlussbericht". In: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, 04.07.2017; Lesben- und Schwulenverband (o. D.): "Beschluss des LSVD-Verbandtages 2017. LSVD-Positionspapier 'Regenbogenfamilien im Recht'" In: LSVD-Verein für europäische Kooperation e.V., 02.04.2017. Zuletzt abgerufen am 16.12.2020 von www.lsvd.de/fileadmin/pics/Dokumente/Verbandstage/VT-2017/2017_LSVD-Positionspapier_Regenbogenfamilien_im_Recht.pdf.


Autorinnen: Dr. Elke Jansen & Kornelia Jansen

Kurzbiografien: 

Dr. Elke Jansen, Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin. Sie leitet seit gut 15 Jahren das Projekt "Regenbogenfamilien" im LSVD (www.family.lsvd.de) und seit 2015 das Modellprojekt "Beratungskompetenz zu Regenbogenfamilien" (www.regenbogenkompetenz.de). Sie blickt auf eine lange Beratungspraxis mit Regenbogenfamilien zurück und ist Autorin vielfältiger Publikationen rund um lesbische Mütter, schwule Väter und ihre Kinder. Seit 20 Jahren ist sie als Therapeutin in eigener Praxis tätig.

Kornelia Jansen, Diplom-Sozialpädagogin und Systemische Familienberaterin (DGSF), arbeitet seit vielen Jahren mit Familien in verschiedenen Kontexten und begleitet (werdende) Regenbogenfamilien in Beratung und Training. Neben ihrer Tätigkeit als stellvertretende Leiterin des Projektes "Beratungskompetenz zu Regenbogenfamilien" ist sie als Beraterin, Trainerin und Supervisorin tätig in eigener Praxis (www.blickwechsel-im-system.de).