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Lasst uns über Klasse reden!

Auch in der LSBTIQ-Community spielen Klasse und Klassismus eine Rolle. Schon in den 1980er- und 1990er-Jahren wurden Stimmen in der "Lesbenfrauen"-Bewegung laut, die Klassenunterschiede in der Community kritisierten.

Innerhalb einer CommunityDer Begriff „Community“ (dt.: Gemeinschaft, Gemeinde) bezeichnet eine Gruppe von Menschen, die sich aufgrund gemeinsamer Interessen, Eigenschaften oder Erfahrungen einander zugehörig fühlen. über Ungleichheiten zu sprechen, kann schwer sein. Vor allem über Ungleichheitsverhältnisse, von denen innerhalb der Community Einzelne profitieren. Wer Geld hat, kann sich vieles kaufen: Bildung, gute Gesundheitsversorgung, bequemen Wohnraum, Essen, das als gesund angesehen wird, und (queere„Queer“ war im Englischen ein starkes Schimpfwort für LSBTIQ*, ähnlich dem deutschen „pervers“. In Deutschland dient es heute oft als Sammelbezeichnung für LSBTIQ*, aber auch als eigenständige Selbstbezeichnung, die begrenzende Kategorien in Frage stellt.) Dienstleistungen, die das Leben erleichtern.

Schon in den 1980er- und 1990er-Jahren äußerten Teile der "Lesbenfrauen"1-Bewegung Kritik an der Dominanz von "Mittelklasselesben", die keinen Blick dafür hatten, dass die Arbeiter_innen in der Bewegung nicht so viel Geld zur Verfügung hatten und in der Szene weniger ernst genommen wurden. 

Die "Prololesben" – eine selbstorganisierte Gruppe von Aktivist_innen – richteten als einen Versuch der zumindest materiellen Umverteilung ein Konto ein, auf das in Notlagen zurückgegriffen werden konnte.2

Eine solche Aktion ist bis heute beispiellos. Finanzielle Vorsorge gilt als Privatsache. Dabei ist Klassismus – die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft3 – ein gesellschaftliches Problem, das sich in Verbindung mit lsbtiq„LSBTIQ*“ oder ähnliche Zusammensetzungen dienen als Abkürzung für „Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans-, intergeschlechtliche und queere Menschen“. „Lsbtiq*“ steht entsprechend für „lesbisch, schwul, bisexuell, trans-, intergeschlechtlich und queer“. Lebensweisen verstärkt. 

Wie sich Benachteiligung aufgrund von sozialer Herkunft und LSBTIQ-Feindlichkeit gegenseitig verstärken

Die Weichen für die berufliche Zukunft von Menschen werden neben dem Elternhaus maßgeblich in Schule, Aus- und Weiterbildung gestellt. Jedoch erleben laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts 44 Prozent der lsbtiq Jugendlichen alltäglich Beschimpfungen, Beleidigungen, Fremdoutings und körperliche Angriffe an Bildungs- und Arbeitsstätten.4

In einer Veröffentlichung des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zu Einkommen, sozialen Netzwerken und Lebenszufriedenheit von lesbischenFrauen, die sich emotional und/oder sexuell in erster Linie zu Frauen hingezogen fühlen, bezeichnen sich häufig als lesbisch., schwulenMänner, die sich emotional und/oder sexuell in erster Linie zu Männern hingezogen fühlen, bezeichnen sich häufig als schwul. und bisexuellenBisexuelle Menschen beschreiben ihre sexuelle Orientierung unterschiedlich: Als romantische und/oder sexuelle Anziehung zu Frauen und Männern, als Anziehung zu dem eigenen Geschlecht oder zu generell mehr als einem Geschlecht. Menschen in Deutschland wird zwar festgehalten, dass lsb Personen eine durchschnittlich höhere Schulbildung erreichen, im direkten Vergleich der Stundenlöhne verdienen aber sowohl homosexuelle„Homosexuell" (griech. „homos“: gleich; lat. „sexus“: Geschlecht) ist ein historischer Begriff, der sexuelle Handlungen, Begehren und Beziehungen zwischen Angehörigen des gleichen Geschlechts beschreibt. Frauen und Männer als auch heterosexuelleWenn Frauen sich von Männern romantisch und/oder sexuell angezogen fühlen, oder Männer von Frauen, werden sie als heterosexuell bezeichnet. Zugleich beschreibt „heterosexuell“ auch sexuelle Handlungen zwischen einer Frau und einem Mann. Frauen aufgrund des "Sexuality Pay Gap" weniger als heterosexuelle Männer.5

Diskriminierung beim Zugang zum Arbeitsmarkt wurde von trans* und interIntergeschlechtliche (lat. „inter“: zwischen) Menschen haben angeborene körperliche Merkmale, die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen.-Aktivist_innen vielfach thematisiert.6 Insbesondere ungewollte Outings durch langjährige Änderungsverfahren der Ausweispapiere und cisDie Begriffe „cisgeschlechtlich“, „cisgender“ oder „cis“ (lat. „cis-“: diesseits) beschreiben Menschen, die sich dem Geschlecht zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.- und endogeschlechtlicheDer Begriff „endogeschlechtlich“ beschreibt Menschen, die nicht inter* sind, das heißt, deren Körper sich nach medizinischen Normen eindeutig als nur weiblich oder nur männlich einordnen lassen. Normen werden kritisiert. Laut einer DIW-Studie erfahren 30 Prozent der homo- und bisexuellen und 43 Prozent der trans* Menschen Diskriminierung im Arbeitsleben.7

Leerstellen in Forschung und gesellschaftlicher Auseinandersetzung

Aus anti-klassistischer Perspektive fällt auf, dass es bisher keine Forschung zu erwerbslosen LSBTIQ, Zugang zum Arbeitsmarkt und diskriminierenden Strukturen gibt. Wer lebt zum Beispiel von Transferleistungen wie Sozialhilfe oder Hartz IV? Und aus welchen Gründen? Welche Rolle spielt dabei die geschlechtliche und sexuelle Identität?

Mangelnde Beteiligungsmöglichkeiten und Bevorteilung von endoDer Begriff „endogeschlechtlich“ beschreibt Menschen, die nicht inter* sind, das heißt, deren Körper sich nach medizinischen Normen eindeutig als nur weiblich oder nur männlich einordnen lassen.-cisDie Begriffe „cisgeschlechtlich“, „cisgender“ oder „cis“ (lat. „cis-“: diesseits) beschreiben Menschen, die sich dem Geschlecht zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.-heterosexuellenWenn Frauen sich von Männern romantisch und/oder sexuell angezogen fühlen, oder Männer von Frauen, werden sie als heterosexuell bezeichnet. Zugleich beschreibt „heterosexuell“ auch sexuelle Handlungen zwischen einer Frau und einem Mann. Lebensweisen kann über die Lebenszeit zu (Alters-)Armut führen und jede_n treffen. Materielle Armut ist stigmatisiert und schambehaftet. So lange sie als individuelles und nicht als gesellschaftliches Problem gesehen wird, gibt es – auch innerhalb der LSBTIQ-Community – noch viel zu tun.
 

1 In diesem Text werden bewegungsgeschichtliche Ausdrücke in Anführungsstriche gesetzt.
2 Roßhart, Julia (2019): "Die Proll-Lesbengruppen". In: Digitales Deutsches Frauenarchiv. Zuletzt abgerufen am 03.09.2020 von www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/die-proll-lesbengruppen.
3 Abou, Tanja (2017): "Klassismus. Oder: Was meine ich eigentlich, wenn ich von Klassismus spreche? Eine Annäherung". Herausgegeben vom Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. Zuletzt abgerufen am 03.09.2020 von www.vielfalt-mediathek.de/mediathek/6268/klassismus-oder-was-meine-ich-eigentlich-wenn-ich-von-klassismus-spreche-eine-an.html.
4 Krell, Claudia/Oldemeier, Kerstin (2015): Coming-out – und dann...?! Ein DJI-Forschungsprojekt zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Herausgegeben von Deutsches Jugendinstitut e. V. Zuletzt abgerufen am 03.09.2020 unter www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2015/DJI_Broschuere_ComingOut.pdf.
5 Kroh, Martin/Kühne, Simon/Kipp, Christian/Richter, David (2017): "Einkommen, soziale Netzwerke, Lebenszufriedenheit: Lesben, Schwule und Bisexuelle in Deutschland". In: DIW Wochenbericht, 2017, 35, S. 687-699. Zuletzt abgerufen am 28.09.2020 von www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.563767.de/17-35-3.pdf.
6 Franzen, Jannik/Sauer, Arn (2020): Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben". Herausgegeben von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Zuletzt abgerufen am 03.09.2020 von www.transinterqueer.org/download/Publikationen/benachteiligung_von_trans_personen_insbesondere_im_arbeitsleben.pdf; Ghattas, Dan Christian/Sabisch, Katja (2017): "Mehr als 'Mann' und 'Frau' – Menschenrechte und Teilhabe intergeschlechtlicher Personen in Deutschland". In Diehl, Elke (Hrsg.): Teilhabe für alle?! Lebensrealitäten zwischen Diskriminierung und Partizipation. S. 158-172. Zuletzt abgerufen am 03.09.2020 von www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/10155_Teilhabe_fuer_alle_ba_171019.pdf.
7 De Vries, Lisa/Fischer, Mirjam/Kasprowski, David/Kroh, Martin/Kühne, Simon/Richter, David/Zindel, Zaza (2020): "LGBTQI*-Menschen am Arbeitsmarkt: hoch gebildet und oftmals diskriminiert". In: DIW Wochenbericht, 2020, 36, S. 623/624. Zuletzt abgerufen am 03.09.2020 von www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.798177.de/20-36-1.pdf.