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Inter* und trans* Menschen im Alter

Wie andere ältere Menschen leben auch trans* und inter* Personen in Altenheimen oder Behinderten-Einrichtungen, haben eine*n gesetzliche*n Betreuer*in oder werden von Angehörigen gepflegt. Das erfordert Sensibilität für manchmal schwierige Lebenswege und besondere Umstände.

Das Geschlecht und die sexuelle Orientierung eines Menschen sind im Alter keine vernachlässigbare Nebensächlichkeit, sondern spielen nach wie vor eine zentrale Rolle. Sowohl Geschlecht als auch Sexualität sind Teil unserer Identität und prägen den gesamten Lebensweg. Im Falle von inter* und trans* Senior*innen kommen häufig eine belastete Vergangenheit oder spezifische medizinische Implikationen hinzu. Für Pflegeeinrichtungen bedeutet dies, dass im Sinne einer diversitätssensiblen Pflege besondere Lebenserfahrungen wie erlebter Minderheitenstress mitbedacht werden müssen.1

Wie lebten ältere inter* und trans* Menschen und wie wirkt sich das aus?

Inter* und trans* Senior*innen befanden sich meist in noch schwierigeren Lebensumständen als jüngere inter* und trans* Menschen heute:

Wer sich outete, begab sich damit unter Umständen in Gefahr. Inter* und trans* Menschen erhielten früher keinen Schutz durch Antidiskriminierungsgesetze. Sie erlebten eine Zeit, in der es keine, insbesondere menschenrechtsbasierte Regelungen ihrer Belange gab. Aber auch das seit 1981 geltende Transsexuellengesetz (TSG) enthält neben inzwischen für verfassungswidrig erklärten Regelungen auch Bestimmungen, die mit guten Gründen heutzutage als entwürdigend empfunden werden und die bis heute bestehen. Am 23.08.2023 hat die Bundesregierung den Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet, das die rechtliche Situation von trans*, inter* und nichtbinären Menschen grundlegend verbessern soll. Derzeit wird im Parlament über das Gesetz beraten. Der Gesetzentwurf sieht ein Inkrafttreten am 1. November 2024 vor.

Viele inter* Menschen wurden als Kind ohne ihre Einwilligung geschlechtsverändernden Eingriffen ausgesetzt. Dem großen Mut und Aktivismus der Menschen, die unter diesen Umständen offen als Inter* und Trans* lebten, hat die Community viel zu verdanken.

Für andere inter* und trans* Senior*innen war es unter diesen Umständen nicht möglich, sich zu outen oder zu transitionieren. Menschen, die sich spät oder nie geoutet oder transitioniert haben, empfinden oft Trauer über die „verpassten“ Jahre. Auch heute noch bleiben viele von ihnen aus Angst in Pflegeeinrichtungen weiterhin unsichtbar – obgleich es statistisch gesehen wahrscheinlich ist, dass in jeder Pflegeeinrichtung auch Menschen mit einem nicht cis-geschlechtlichen Geschlechtsausdruck betreut werden. Diskriminierungserfahrungen und die Aussicht auf Abhängigkeit sind für diese Menschen oft mit großer Angst verbunden.

Eine offene Willkommenskultur, die beispielsweise Informationsmaterial mit einer inklusiven Ansprache einschließt, und gelebte Sichtbarkeit von Vielfalt können dem entgegenwirken.

Was beschäftigt inter* und trans* Senior*innen und worauf sollten Pflegekräfte achten?

Für viele inter* und trans* Senior*innen gibt es Themen, die ihnen besonders Sorge bereiten.

Im Bereich Gesundheit fehlt wichtiges medizinisches Wissen. So gibt es zum Beispiel kaum Daten zu den Langzeitfolgen von Hormonersatztherapien, denen sich viele inter* Menschen unterziehen mussten. Pflegepersonal ist oft überfragt, etwa wenn es um die Pflege von Genitalien geht, an denen operative Eingriffe – ohne Einwilligung oder auf Wunsch – vorgenommen wurden.

Auch ist die Aussicht, von der Unterstützung durch Pfleger*innen oder Betreuer*innen abhängig zu sein, für inter* und trans* Senior*innen mit der Befürchtung verknüpft, die geschlechtliche und körperliche Selbstbestimmung und Privatsphäre zu verlieren, geoutet oder diskriminiert zu werden.

Hilfreich ist in dieser Situation die Bereitschaft des Pflegepersonals, Routinen zu überdenken, dazuzulernen und Fragen zu stellen, beispielsweise nach der richtigen Ansprache. Versuche, Klient*innen von gendernonkonformem Verhalten abzuhalten , um sie vor Anfeindungen zu schützen, sind übergriffig und sollten ebenso tabu sein wie Zwangsoutings. Das gilt auch dann, falls die Wünsche der inter* oder trans* Person in Konflikt mit den Vorstellungen ihrer Angehörigen stehen.

Manche inter* und trans* Senior*innen sind einsam. Einige erlebten nach dem Comingout Kontaktabbrüche, und Mitbewohner*innen im Altersheim können mitunter inter- und transfeindlich sein. Oft sind sie auch nicht (mehr) Teil einer Inter*- oder Trans*-Community, weil diese nicht immer offen für Senior*innen sind. Dass viele aufgrund von jahrzehntelanger Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt Altersarmut erfahren, verstärkt zusätzlich ihre Isolation.

Wer aufgrund einer kognitiven Beeinträchtigung in Betreuung ist, kommt möglicherweise gar nicht mit ihrer*seiner Community in Kontakt, hat also auch kaum Zugang zu dem Wissen und den empowernden Erfahrungen, die diese bieten kann. Dann ist die Person darauf angewiesen, dass ihre Angehörigen oder Betreuenden sie in ihrer Entfaltung und Selbstbestimmung unterstützen.

Wie bereiten sich inter* und trans* Menschen auf das Alter vor?

Für inter* und trans* Menschen ist es wichtig, sich früh mit dem Thema Alter zu befassen und nach möglichst diskriminierungsarmen Wohn- und Pflegemöglichkeiten zu suchen. Ebenso hilft es, im Alter soziale Kontakte zu pflegen – neben den Freundschaften und (Wahl-)Familien bietet sich zum Beispiel die Suche nach Gruppen oder Besuchsprojekten für trans* und inter* Senior*innen an.

1 Schmidt, D. et al. (2020): Weil ich so bin, wie ich bin.  Inklusion sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in der Pflege. Ein Praxisleitfaden für stationäre und ambulante Dienste. Schwulenberatung Berlin gGmbH. S. 16. Zuletzt aufgerufen am 05.06.2023 von https://schwulenberatungberlin.de/wp-content/uploads/2021/05/5f58ce231ff7fca7045dce38_SchwuBe_Leitfaden_Online.pdf