Erstes Gedenken an queere NS-Opfer im Bundestag

Stolpersteine mit Rosen

Am 27. Januar 2023 gedenkt der Deutsche Bundestag erstmals jener Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität während des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. Der historische Anlass für den seit 1996 jährlich stattfindenden Gedenktag ist die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee im Jahr 1945.


Bereits im Jahr 2018 lag eine Petition vor, die forderte, dass der Bundestag am Holocaust-Gedenktag auch an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus erinnern solle. Es unterzeichneten 84 Persönlichkeiten, darunter Überlebende des Holocaust, Wissenschaftler*innen und Kulturschaffende. Mit der besonderen Würdigung verfolgter queerer Menschen kommt der Bundestag nun diesem Wunsch nach.

Die Veranstaltung kann im Parlamentsfernsehen auf der Website des Bundestages live verfolgt oder als Aufzeichnung in der Mediathek aufgerufen werden.

Die Gedenkstunde im Plenarsaal beginnt um 10 Uhr mit einer Ansprache der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Anschließend wird die jüdische Holocaust-Überlebende Rozette Kats sprechen, die überlebte, weil ein niederländisches Ehepaar sie als eigenes Kind ausgab. Ihr gesellschaftliches Engagement als Zeitzeugin gilt auch allen Menschen aus der LSBTIQ*-Community.

Queere Opfer im Mittelpunkt der Gedenkstunde

Der queeren Opfer nationalsozialistischer Verfolgung wird anhand zweier Lebensgeschichten gedacht, die von den Schauspieler*innen Jannik Schümann und Maren Kroymann vorgetragen werden:
Karl Gorath (1912-2003) wurde erstmals 1934 nach Paragraph 175 des damaligen Reichsstrafgesetzbuchs (RStGB) verurteilt, der seit 1871 „widernatürliche Unzucht“ zwischen Männern unter Strafe stellte. Nach einer Zuchthausstrafe wurde er ins KZ Auschwitz deportiert und lebte nach der Befreiung in Armut, weil er als Vorbestrafter nur schwer Arbeit fand.
Mary Pünjer (1904-1942) wurde aufgrund einer unterstellten lesbischen Neigung und jüdischer Herkunft in der als Tötungsanstalt genutzten „Landes-Heil- und Pfleganstalt“ Bernburg (Saale) ermordet.

Zum Abschluss der Gedenkstunde wird Klaus Schirdewahn als Vertreter der queeren Community das Wort ergreifen. Er wurde noch 1964 nach Paragraph 175 StGB verurteilt. Erst 1994 wurde der Paragraph endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen.

Mehr über den Paragraphen 175 und die Hotline für Betroffene erfahren Sie auf der Website der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Queere Geschichte und Holocaust

Nicht nur homosexuelle Männer, die im Lager den Rosa Winkel tragen mussten, befanden sich unter den queeren Opfern. Die historische Spurensuche gestaltet sich jedoch schwierig, da es darüber hinaus keine offizielle Haftkategorie für aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgte Menschen gab.

Lesen Sie mehr über queere Geschichte und den Holocaust auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung.

Ausstellungen und Vorträge zum Thema

Das Thema „Queere Geschichte und Nationalsozialismus“ wird bundesweit in verschiedenen Ausstellungen und Vorträgen aufgegriffen. Eine Auswahl finden Sie hier:

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