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Sexuelle Orientierung

Oksana findet Frauen super, Manuel auch. Deniz ist das Geschlecht beim Verlieben egal. Muss man darüber überhaupt noch sprechen?

Lesbisch, heterosexuell, pan, queer, bi, homosexuell, schwul – es gibt viele Bezeichnungen, mit denen Menschen ihre sexuelle Orientierung beschreiben können. Meist wird damit nicht nur gemeint, wen Menschen sexuell attraktiv finden, sondern auch, in wen sie sich verlieben, mit wem sie romantische Beziehungen führen und mit wem sie Sex haben (möchten).

Für einige Menschen ist dies so nicht unbedingt korrekt: Auch asexuelle und aromantische Personen, die keine oder wenig sexuelle beziehungsweise romantische Anziehung zu anderen Menschen empfinden, können zum Beispiel schwul oder queer sein.

Auch in anderer Hinsicht ist der Begriff der sexuellen Orientierung weniger eindeutig, als es zunächst scheint: Geht es um die Praxis, also darum, mit wem jemand tatsächlich Sex hat? Oder darum, wie jemand sich selbst versteht, welcher Gruppe oder Kultur die Person sich zugehörig fühlt? Das kann durchaus auseinanderfallen: Mancher Mann hat Sex (auch) mit Männern, identifiziert sich aber als heterosexuell. Und wer sich mit lesbischer Kultur und Bewegungsgeschichte identifiziert, kann durchaus Männer oder nicht-binäre Menschen begehren.

Diesen Aspekt hebt der Begriff „sexuelle Identität“ besonders hervor. Er wird auch im deutschen Antidiskriminierungsrecht verwendet.

Woher kommt sexuelle Orientierung?

Bis heute ist nicht geklärt, was darüber entscheidet, von welchem Geschlecht oder welchen Geschlechtern sich ein Mensch erotisch angezogen fühlt. Von allen Versuchen, sexuelle Orientierung auf einen einzelnen bestimmenden Faktor zurückzuführen (etwa genetische oder hormonelle Einflüsse, Erziehung oder frühe Erfahrungen), hat sich keiner wissenschaftlich durchsetzen können.1

Viele Menschen erzählen im Rückblick, dass sich ihre Orientierung in den Grundzügen früh herausgebildet hat, dass sie also beispielsweise schon in der Pubertät wussten: Ich stehe auf Frauen. Überraschungen, wer einem im Laufe des Lebens noch den Kopf verdrehen kann, kommen dabei durchaus vor. Nicht möglich ist es dagegen, die sexuelle Orientierung von außen oder durch Willensanstrengung „umzukehren“.

Ist das nicht Privatsache?

Manche Menschen stellen sich kaum die Frage nach ihrer sexuellen Orientierung, andere setzen sich viel damit auseinander: Zum Beispiel weil sie merken, dass ihre Art sich zu verlieben und/oder zu begehren in ihrer Umgebung nicht als „normal“ gilt. Oder weil sie überhaupt nach passenden Benennungen für ihr Empfinden suchen müssen.

Wie alles, was mit Gefühlen und Intimität zu tun hat, ist die sexuelle Orientierung eines Menschen etwas sehr Persönliches. Sie hat aber auch eine gesellschaftliche Dimension: Zum Beispiel wenn es darum geht, wer seine*n Partner*in(nen) zur Betriebsfeier mitbringen kann, wer heiraten darf oder wer in Schulbüchern Menschen sieht, die ähnlich fühlen oder leben.

 

 

1 Bailey, J. Michael/Vasey, Paul L./Diamond, Lisa M./Breedlove, S. Marc/Vilain, Eric/Epprecht, Marc (2016): "Sexual Orientation, Controversy, and Science". In: Psychological Science in the Public Interest. 2016, 17/2, S. 45-101.