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LSBTIQ* im Kontext von Flucht

Was erwartet Sie bei der Anhörung? Welche Rechte haben Sie? Wie können Sie sich bei der Unterbringung gegen Gewalt und Diskriminierung schützen?

LSBTIQ*-Geflüchtete können Asyl in Deutschland erhalten. Im Asylverfahren sind sowohl die LSBTIQ*-feindliche Rechtslage im Herkunftsland, die gesellschaftliche Atmosphäre als auch die persönliche Betroffenheit entscheidend. Prinzipiell wird eine sogenannte Gefahrenprognose durchgeführt, bei der geklärt wird, welche Risiken für eine LSBTIQ*-Person auftreten können, wenn diese in ihr Herkunftsland zurückkehrt. Für die Entscheider*innen ist hierbei die Annahme maßgeblich, dass die Geschlechtsidentität und / oder die sexuelle Orientierung in der Heimat nicht geheim gehalten werden. Es darf dementsprechend LSBTIQ*-Personen nicht (mehr) der Rat erteilt werden, dass sie diese Teile ihrer Persönlichkeit verstecken sollten – aus Sorge vor möglichen Repressionen durch staatliche oder nichtstaatliche Stellen, die in manchen Ländern nach wie vor bis zur Verhängung der Todesstrafe reichen können.1

Was passiert bei der Anhörung?

Bei der persönlichen Anhörung, die Teil des Asylverfahrens ist, haben Sie die Pflicht und die Chance, Ihre Situation genau darzustellen. In einem Interview mit Standardfragen werden die Fluchtgründe, die Fluchtroute und die persönliche Situation festgehalten. Ihre Antworten sind verbindlich und werden durch Nachfragen genauer überprüft. Detailfragen zu sexuellen Handlungen dürfen Ihnen aber nicht gestellt und kein Foto- oder Videomaterial dazu verlangt werden. 

Sie sollten sich auf das Interview gut vorbereiten und sich zuvor Unterstützung holen. Anlaufstellen und Support-Gruppen für LSBTIQ*-Geflüchtete in verschiedenen Bundesländern finden Sie unter „Angebote“ oder auf der Website www.queer-refugees.de

Welche Rechte stehen Ihnen zu?

Sie können dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitteilen, welche Sprache / welchen Dialekt Sie sprechen und ob Sie lieber eine Frau oder einen Mann als Dolmetschende haben möchten. Sie können zusätzlich eine von Ihnen bestimmte Person, die Ihre Sprache und Deutsch beherrscht, mitbringen. Diese Person hilft Ihnen bei der Übersetzung, darf aber nicht an Ihrer Stelle die Fluchtgründe vortragen. 

Sie können auch nach einer*m Sonderbeauftragten für LSBTIQ* fragen, also einer Person, die bereits auf das Thema LSBTIQ* als Fluchtgrund spezialisiert ist. Das Protokoll der Anhörung sollten Sie zurückübersetzen lassen. Falls ein Fehler passiert ist, kann es so korrigiert werden. 

LSBTIQ*-Geflüchtete gelten mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland als besonders schutzbedürftig.2 Dazu gehört unter anderem eine möglichst sichere Unterbringung. Wenn Sie mit Ihrem Asylverfahren registriert sind, ist es möglich, in einer Unterkunft für LSBTIQ*-Geflüchtete oder in einem Einzelzimmer untergebracht zu werden. Zudem ist in Unterkünften eine feste Ansprechperson für LSBTIQ*-Geflüchtete vorgesehen und alle Mitarbeitenden sind für Themen von LSBTIQ*-Geflüchteten zu sensibilisieren.3

Schützen Sie sich bei Gewalt und Diskriminierung in der Unterkunft

Sollten Sie in Ihrer Unterkunft Gewalt oder Diskriminierung erleben, zögern Sie nicht, die Mitarbeiter*innen der Sozialdienste anzusprechen. Die Betreibenden von Unterkünften sind verpflichtet, Gewalt gegen alle Bewohner*innen zu unterbinden. Innerhalb der Unterkunft können Sie in andere Räume verlegt werden oder je nach Bundesland in Unterkünfte für LSBTIQ*-Geflüchtete. Bei akuten Fällen wenden Sie sich sofort an die Polizei unter der Telefonnummer 110 oder lassen Sie durch die Mitarbeiter*innen der Unterkunft Hilfe holen.

1 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2022): „Besserer Schutz für queere Geflüchtete“. In: https://www.bmfsfj.de/. Zuletzt abgerufen am 23.01.2023 von https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/besserer-schutz-fuer-queere-gefluechtete-202242.

2 Träbert, Alva/ Dörr, Patrick (2020): „Besonders schutzbedürftige
Geflüchtete. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“; S. 3. In: https://www.queer-refugees.de/. Zuletzt abgerufen am 12.12.2022 von https://www.queer-refugees.de/wp-content/uploads/2020/06/broschuere-besonders-schutzbeduerftige-gefluechtete-sexuelle-und-geschlechtliche-vielfalt-deutsch.pdf.

3 Träbert, Alva/ Dörr, Patrick (2020): „Besonders schutzbedürftige
Geflüchtete. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt“; S. 15 - 16. In: https://www.queer-refugees.de/. Zuletzt abgerufen am 12.12.2022 von https://www.queer-refugees.de/wp-content/uploads/2020/06/broschuere-besonders-schutzbeduerftige-gefluechtete-sexuelle-und-geschlechtliche-vielfalt-deutsch.pdf.

Weiterführende Informationen:

AWO Bundesverband e. V. (2022): „Queere Geflüchtete. Informationen zur Sensibilisierung der Einrichtungen für die Belange von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*- und inter*geschlechtlichen, queeren, questioning und asexuellen Geflüchteten“. In: https://awo.org/. Zuletzt abgerufen am 30.01.2023 von https://awo.org/sites/default/files/2022-02/Queere%20Gefluechtete_0.pdf

Queer Refugees Deutschland (2020): „Leitfaden für lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und inter* (LSBTI) Geflüchtete in Deutschland“. In: https://www.queer-refugees.de/. Zuletzt abgerufen am 12.12.2022 von https://www.queer-refugees.de/wp-content/uploads/2020/04/flyer-deutsch-april-2020.pdf.

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