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Queeren Menschen respektvoll und solidarisch begegnen

Manche Menschen fühlen sich unsicher im Umgang mit (mutmaßlichen) lsbtiq* Personen. Oder sie fragen sich, wie sie sich als Vereinskamerad*in, Verwandte*r oder Nachbar*in solidarisch und unterstützend verhalten können.

Respekt gegenüber LSBTIQ* ist mehr als eine Frage der Etikette. Es geht nicht bloß um allgemeine Regeln der Höflichkeit, sondern um ein solidarisches Miteinander mit dem Ziel der Gleichstellung aller Menschen. Das bedeutet zum Beispiel, sich dafür einzusetzen, dass das Arbeits- oder schulische Umfeld inklusiv gestaltet wird, die eigenen Privilegien zu reflektieren und selbst sichtbare Zeichen der Solidarität mit lsbtiq* Menschen zu setzen.

LSBTIQ* sind häufiger Alltagsdiskriminierung ausgesetzt

Queere Menschen dürfen eine ebenso respektvolle Behandlung erwarten wie alle anderen Menschen auch. Die Realität sieht häufig anders aus, wie die Ergebnisse des zweiten großen LGBTI-Survey der EU-Grundrechteagentur (FRA) aus dem Jahr 2020 verdeutlichen. 44 Prozent der befragten Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland wurden demnach in mehr als acht Lebensbereichen in den zwölf Monaten vor der Befragung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität diskriminiert.1
Kommen weitere Dimensionen wie körperliche oder psychische Beeinträchtigungen hinzu, steigt der Leidensdruck zum Teil erheblich. Das zeigt der „Kurzbericht LSBTIQ* inklusiv NRW“ aus dem Jahr 2020, an dem fast 900 LSBTIQ* mit Beeinträchtigungen teilnahmen. In Rahmen der Studie gaben 72 Prozent der Teilnehmenden an, „ausgegrenzt, übergangen oder ignoriert“ worden zu sein. Etwa zwei Drittel der Befragten beklagten, dass ihnen verbale Gewalt in Form von Tuscheln oder Lästern sowie Beleidigungen und Beschimpfungen widerfahren seien. 60 Prozent der Befragten wurden „unangenehme Fragen zu ihrem Privatleben“ gestellt.2

Die Alltagsrealität von LSBTIQ* ist also eine andere als die von Menschen, deren sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität der Norm entsprechen. Wer sich solidarisch zeigen möchte, muss diesen Umstand in den verschiedenen Lebensbereichen mitdenken, sei es in der Familie, unter Freund*innen, beim Sport oder im Arbeitsumfeld. So outen sich längst nicht alle LSBTIQ* Menschen wie selbstverständlich am Arbeitsplatz.  Laut der Studie „Out im Office?!“ von 2017 haben bereits 74 Prozent der an ihrem Arbeitsplatz geouteten befragten lesbischen und schwulen Beschäftigten die Erfahrung gemacht, dort diskriminiert zu werden. In Hinblick auf arbeitsplatzbezogene Konsequenzen gaben acht Prozent der lesbischen oder schwulen Befragten an, ihrer Meinung nach einen Arbeitsplatz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht erhalten zu haben. Ungefähr drei Prozent erlebten eine Kündigung oder Versetzung (mehr dazu im Artikel „Comingout als nicht-heterosexuell“).3

Tipps für ein solidarisches Verhalten am Arbeitsplatz bietet der Leitfaden für LGBT*IQ-Allies im Arbeitsalltag von Prout at Work.

Die richtige Ansprache

Nicht immer ist das Geschlecht eines Menschen am Aussehen abzulesen. Im Zweifelsfall ist es sinnvoll, nachzufragen, welche Anrede das Gegenüber sich wünscht, zum Beispiel folgendermaßen: „Mein Pronomen ist übrigens ‚er‘. Welches darf ich für Sie verwenden?“ Bei schriftlicher Korrespondenz ist es hilfreich, das eigene Pronomen proaktiv in die Signatur zu setzen, sofern der Arbeitgeber dies erlaubt.

Tipps für sensible Sprache, auch im Umgang mit weiteren Gruppen, die häufig diskriminiert werden, finden Sie im Respect Guide der Initiative Intersektionale Pädagogik.

Selbstbestimmung über persönliche Informationen

Lsbtiq* Menschen haben, wie alle, ein Recht auf Privatsphäre. Das gilt insbesondere für den Bereich von Körper und Sexualität. So empfinden die meisten trans* Menschen Fragen nach dem „alten“ Namen oder nach Fotos „von früher“ als unangenehm. Wer den Wunsch hat, solche Erinnerungen mit Ihnen zu teilen, wird es vermutlich von sich aus tun. Auch die sexuelle Orientierung ist niemandem direkt anzusehen. Es ist daher ratsam, Fragen nach dem Privatleben so zu gestalten, dass sie niemanden in Verlegenheit bringen können und zum Beispiel zu fragen: „Wie war dein Wochenende?“ statt danach, was man mit dem*der Partner*in gemacht habe.

Und: Lsbtiq* Personen wissen selbst am besten, in welchen Situationen und in welchem Umfeld sie die eigene Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung ohne Nachteile offenlegen können. Sie sollten darum niemals einen anderen Menschen outen, außer Sie haben dessen Auftrag oder ausdrückliches Einverständnis für genau diesen Ort und Personenkreis.

Solidarität mit lsbtiq* Menschen jeden Tag

Wenn Ihnen Solidarität mit lsbtiq* Personen wichtig ist, können Sie dies im Alltag in vielen Situationen zeigen – einige Anregungen bekommen Sie, indem Sie sich die folgenden Fragen stellen:

  • Gibt es in meinem Umfeld Bemerkungen oder Verhaltensweisen, die respektlos oder verletzend gegenüber lsbtiq* Menschen sind? Dienen zum Beispiel Männer in „Frauenkleidern“ als beliebte Lachnummer? Oder wird die sexuelle Orientierung einer Person angezweifelt? Was kann ich sagen und tun, um dem etwas entgegenzusetzen?
  • Kann ich in der Schulklasse meines Kindes einen Workshop zum Thema LSBTIQ* anregen?
  • Wie können wir Formulare so gestalten, dass Menschen aller Geschlechter sie korrekt ausfüllen können und damit Anerkennung erfahren? Bei Ihrem Arbeitgeber können Sie sich z. B. auf diese Weise dafür einsetzen, dass die Belange von LSBTIQ* mitgedacht werden.

Sicherlich fallen Ihnen weitere Situationen ein, in denen Sie dazu beitragen können, dass sich alle – unabhängig von Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung – frei entfalten können und nicht das Gefühl haben müssen, allein zu sein. Denn Gelegenheiten zu solidarischem Handeln bieten sich jeden Tag.
 

1 LSVD (2020): Diskriminierungserfahrungen von LSBTI in Deutschland. Zuletzt aufgerufen am 01.09.2023 von www.lsvd.de/de/ct/2614-Diskriminierungserfahrungen-von-LSBTI-in-Deutschland.  Interpretation der Ergebnisse für Deutschland auf Grundlage der Studie „Long way to go for LGBTI equality“ der Europäischen Grundrechteagentur (FRA), aufrufbar unter https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2020-lgbti-equality_en.pdf.

2  De Groot, Mailin et. al (2020): Kurzbericht LSBTIQ* inklusiv NRW. Studienergebnisse Lebenswirklichkeiten und Problemlagen von LSBTIQ* mit unterschiedlichen Formen der Behinderung, chronischen Erkrankungen, psychischen und sonstigen Beeinträchtigungen. LAG Lesben in NRW e. V., vgl. S. 10. Zuletzt abgerufen am 18.08.2023 von www.lsbtiq-inklusiv.nrw/files/lsbtiq/pdf/Kurzbericht%20LSBTIQ%20inklusiv.pdf.

3 Frohn, Dominic et. al (2017), Out im Office?! Sexuelle Identität, (Anti-)Diskriminierung und Diversity am Arbeitsplatz. IDA | Institut für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung, vgl. S. 50. Zuletzt aufgerufen am 12.09.2023 von www.diversity-institut.info/publikationen/out-im-office-2017/.