Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Jugendarbeit
Lesbische, schwule, bisexuelle und trans* Jugendliche gelten in der sozialwissenschaftlichen Forschung als besonders verletzbare Gruppen. Wie können Sie als pädagogische Fachkraft lsbt Jugendliche unterstützen und welche gesetzlichen und fachlichen Grundlagen sollten Sie hierzu kennen?
Zu den spezifischen Sozialisationsbedingungen, unter denen lsbt und gendernonkonforme Jugendliche aufwachsen, gehören das Fehlen von Vorbildern sowie mangelnde Unterstützung und Diskriminierungserfahrungen in Familie, Schule und Umfeld. Dazu kommt der Druck, sich genderkonform zu verhalten und eine/n Partner/in des "anderen" GeschlechtsGeschlecht ist in unserer Gesellschaft ein wichtiges Ordnungsprinzip und eine einflussreiche soziale Kategorie. zu wählen. Dies bedingt eine psychosoziale Belastung der Jugendlichen, zum Beispiel ein erhöhtes Suizidrisiko, und weist lsbt Jugendliche als besonders verletzbare Gruppen aus.1
Angesichts dieser Bedingungen ist die Unterstützung durch pädagogische Fachkräfte für lsbt Jugendliche besonders wichtig.
Gesetzliche und fachliche Grundlagen
Pädagogische Fachkräfte haben gemäß der UN-Kinderrechtskonvention und dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) den gesetzlichen Auftrag, Kinder in ihrer individuellen Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen, sie vor Gefahren zu schützen und Benachteiligungen abzubauen. Jedes Kind, unabhängig von GeschlechtsidentitätDie Geschlechtsidentität bezeichnet das Wissen und Empfinden eines Menschen über sein eigenes Geschlecht., sexueller OrientierungDie sexuelle Orientierung beschreibt, mit Menschen welchen Geschlechts oder welcher Geschlechter jemand eine sexuelle und/oder romantische Beziehung eingehen möchte. oder anderen sozialen Aspekten, hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, auf eine diskriminierungsfreie Lernumgebung und auf Beteiligung.
Fachliche Grundlagen sind der Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter "Sexuelle Orientierung ist ein relevantes Thema der Jugendhilfe" von 20032 und Stellungnahmen der Kinderkommission des Bundestages von 20163 und 20174.
Lsbt Jugendliche unterstützen
Da lsbt Jugendliche ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise Geschlechtsidentität meist verschweigen, hängt viel davon ab, wie Sie als pädagogische Fachkraft handeln. Sie können die Identitätsentwicklung positiv unterstützen, vor Diskriminierung schützen und pädagogische Settings inklusiv gestalten, indem Sie sich an folgenden Handlungsempfehlungen orientieren:
- Informieren Sie sich über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt. Klären Sie den konkreten Kontext, in dem Ihnen LSBT-Themen begegnen: Häufig geht es nicht um Sexualität, sondern um Identität und Lebensformen. Vermeiden Sie Zuschreibungen, die jede LSBT-bezogene Frage auf Sexualität bezieht.
- Nutzen Sie Methoden der Selbstreflexion, um Ihre pädagogische Haltung LSBT-inklusiv weiterzuentwickeln, indem Sie sich zum Beispiel fragen: "Wo bin ich in meiner Biografie Geschlechterstereotypen begegnet?"
- Achten Sie auf eine Sprache, die sensibel auf Geschlechtervielfalt eingeht und verwenden Sie inklusive Formulierungen wie zum Beispiel "Bist du verliebt?" oder "Hast du eine Beziehung?" anstatt zu fragen "Hast du schon einen Freund/eine Freundin?"
- Seien Sie wachsam für diskriminierende Ausdrücke und weisen Sie diese zurück.
- Denken Sie lsbt Jugendliche strukturell mit und machen Sie deren Lebensweisen sichtbar.
- Drücken Sie durch die Gestaltung der Räumlichkeiten aus, dass Sie Geschlechtervielfalt willkommen heißen, indem Sie zum Beispiel Informationsmaterialien, Flyer, Broschüren und Plakate, die Geschlechtervielfalt thematisieren und sichtbar machen, aufhängen und auslegen.
- Thematisieren Sie LSBT-Themen in den eigenen Angeboten und informieren Sie über spezifische Angebote für queere„Queer“ war im Englischen ein starkes Schimpfwort für LSBTIQ*, ähnlich dem deutschen „pervers“. In Deutschland dient es heute oft als Sammelbezeichnung für LSBTIQ*, aber auch als eigenständige Selbstbezeichnung, die begrenzende Kategorien in Frage stellt. Jugendliche wie Jugendgruppen, Ferienmaßnahmen oder Beratungsstellen.
- Reagieren Sie positiv auf ein ComingoutAls Comingout (engl. 'come out': herauskommen) wird der Prozess bezeichnet, die eigene Identität, sexuelle Orientierung, Lebensweise oder Körperlichkeit öffentlich zu machen, obwohl sie von herrschenden Normen abweicht. und fragen Sie auch bei Andeutungen oder Signalen sensibel nach.
- Unterstützen Sie lsbt Jugendliche in der Wahrnehmung Ihrer Rechte.
Eine offene Haltung im Umgang mit LSBT-Themen und die aktive Berücksichtigung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt erhöht die Qualität Ihrer pädagogischen Arbeit und wirkt sich nicht nur positiv auf lsbt Jugendliche aus, sondern auf alle Jugendlichen, mit denen Sie arbeiten.
1 Kugler, Thomas (2017): "Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität. Queere Jugendliche zwischen Vulnerabilität und Ressourcen". In: jugendhilfe. 2017, Heft 4, S. 364; Marshal, Michael P./Dietz, Laura J./Friedman, Mark S./Stall, Ron/Smith, Helen A./McGinley, John et al. (2011): "Suicidality and depression disparities between sexual minority and heterosexual youth: A meta-analytic review". In: Journal of Adolescent Health. 2011, 49, S. 115-123.
2 Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (2003): "Sexuelle Orientierung ist ein relevantes Thema der Jugendhilfe". In: www.bagljae.de, Mai 2003. Zuletzt abgerufen am 19.06.2018 unter www.bagljae.de/downloads/089_sexuelle-orientierung_2003.pdf.
3 Deutscher Bundestag, Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (2016): Stellungnahme der Kinderkommission des Deutschen Bundestages zur Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland. Kommissionsdrucksache 18. Wahlperiode 18/13, 22.06.2016. Zuletzt abgerufen am 19.06.2018 unter www.bundestag.de/blob/433634/a3eea52ce794584e49c356d95d2e0bd1/stellungnahme_kinderrechte-data.pdf.
4 Deutscher Bundestag, Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder, die Vorsitzende (2017): Stellungnahme der Kinderkommission des Deutschen Bundestages zum Thema "Queer, na und!? – LSBTIQ-Jugendliche in Deutschland". Kommissionsdrucksache 18. Wahlperiode 18/27, 23.10.2017. Zuletzt abgerufen am 19.06.2018 unter www.bundestag.de/blob/530092/75a138973b940ecfbce1a9869f84a362/stellungnahme_queer-data.pdf.