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Selbstbestimmt leben als LSBTIQ* mit Behinderung

Menschen mit Behinderung wird oft weniger Selbstbestimmung zugestanden als nicht behinderten Menschen. Wie können Sie als LSBTIQ*-Person mit Behinderung selbstbestimmt leben und lieben? Wie können Sie sich selbst stärken? Welche Rechte haben Sie?

Unter dem Begriff „Mensch mit Behinderung“ wird Vielfältiges verstanden. Das merken Sie, wenn Sie versuchen sich folgenden Begriffen zuzuordnen oder sich darin vielleicht gar nicht wiederfinden:

Sind Sie ein Mensch, der vor, während oder nach der Geburt behindert wurde? Sind Sie als Folge eines Gendefektes oder eines Unfalls behindert? Sind Sie ein Mensch mit psychischer, geistiger oder körperlicher Behinderung? Sind Sie sinnesbehindert? Haben Sie eine Mehrfachbehinderung? Sind Ihre Behinderungen abnutzungs- oder altersbedingt? Leben Sie in einem Heim oder in einer betreuten Wohngemeinschaft? Sind Ihre Behinderungen sichtbar oder nicht, sind Sie auf Assistenz oder Hilfe angewiesen?

Schon diese kurze Aufzählung macht Ihnen deutlich, wie viele unterschiedliche Menschen mit Behinderung es gibt – von Ihrem eigenen So-Sein ganz zu schweigen.

Wie möchte ich mich gerne selbst bezeichnen?

Auch bei der Frage, wie sich Menschen mit Behinderung selbst bezeichnen, gibt es eine große Vielfalt. Es kommt vor, dass Sie als Mensch mit Behinderung Bezeichnungen selbstbewusst für sich in Anspruch nehmen, die ursprünglich eine Gruppe von Menschen abgewertet haben und von Ihnen im Sinne der eigenen Stärkung positiv umgemünzt wurden. Allerdings ist es ein großer Unterschied, ob Sie als Behinderte*r Begriffe selbst(-bewusst) verwenden oder ob eine nicht behinderte Mehrheit bestimmt, was richtig oder falsch ist. Dies verlangt von allen Beteiligten ein Höchstmaß an Neugierde, Respekt und Offenheit.

Sie allein bestimmen über Ihr Leben

Es ist wichtig, dass Sie ein größtmögliches Maß an Selbstbestimmung erreichen. Das gelingt aber nur dann, wenn Ihr Selbstbewusstsein als positiver Ausdruck der Erkenntnis „Ich bin gut so, wie ich bin!“ entstehen kann. Es geht darum, den Blick weg von den Defiziten hin auf Ihre besonderen Fähigkeiten zu richten.

Es ist gut, dass ich sexuelle Bedürfnisse habe

Die Frage, ob Sie über sexuelle Erfahrungen verfügen und, wenn ja, in welchem zeitlichen Verhältnis diese zum Zeitpunkt des Erwerbs Ihrer Behinderung stehen, können nur Sie selbst beantworten.

Menschen mit Behinderung als sexuelle Wesen, und dann noch lesbisch oder schwul, trans* oder inter* – mit dieser Vorstellung tun sich viele Menschen schwer. Dies gilt sowohl für die heterosexuelle Mehrheit als auch für nicht behinderte LSBTIQ*.

Während erfreulicherweise das Leben für nicht behinderte Lesben und Schwule immer weniger Hürden aufweist, gilt dies für LSBTIQ* mit Behinderung erst in Ansätzen. Es ist ein Menschenrecht, emotionale und sexuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist gut so. Voraussetzung dafür ist, dass Selbstbefriedigung sowie gleichermaßen Homo- und Heterosexualität als selbstverständlich angesehen werden. Es geht um das Kennenlernen, das Vertrauen, die Zärtlichkeit und Selbstversicherung im Umgang mit dem eigenen Körper oder dem eines anderen Menschen. Dies gilt ohne Einschränkung. Alle sind gleich wertvoll.

Wichtig ist: Lassen Sie sich von anderen Menschen nicht deren Lebensentwürfe als Maßstab aufdrängen. Stehen Sie zu Ihrer Sexualität, Ihren Bedürfnissen und Wünschen und äußern Sie diese. Sie haben wie jede andere (nicht) behinderte Person ein Recht auf das Ausleben Ihrer Sexualität.

Dies gilt selbstverständlich auch, wenn Sie in der LSBTIQ*-Community oder auf den vielfältigen Dating-Portalen im Internet unterwegs sind. Hinweise für ein respektvolles Miteinander geben unter anderem die Angebote und Schulungen der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.

Falls Sie weiteren Unterstützungs- oder Beratungsbedarf haben, können Sie sich hier über entsprechende Angebote informieren.

Gleiche Rahmenbedingungen für alle – weltweit

Die UN-Behindertenrechtskonvention ist im März 2009 in Deutschland in Kraft getreten. Sie steht für die Achtung der Würde und der Selbstbestimmung, für Teilhabe und Einbeziehung in die Gesellschaft sowie dafür, Unterschiedlichkeit zu achten und Vielfalt zu akzeptieren. Sie konkretisiert viele Lebenssituationen für Menschen mit Behinderungen. Zwar benennt sie die sexuelle Selbstbestimmung nicht direkt, indirekt lässt sie sich aber aus dem Schutz der Würde, dem Schutz vor Diskriminierung und dem Schutz der Privatsphäre ableiten. Darauf können Sie sich jederzeit berufen. Denn bei der Umsetzung sind wir alle gefordert und können einen Beitrag leisten.