Diskriminierung und Gewalt gegen transgeschlechtliche Menschen
Welche Erfahrungen machen trans* beziehungsweise transsexuelle Menschen mit Diskriminierung und Gewalt?

Die Motive von Menschen, die andere transfeindlich beleidigen oder tätlich angreifen, sind noch nicht ausreichend erforscht. Zum Ausmaß des Diskriminierungserlebens liegen jedoch Zahlen vor: So gaben in einer Erhebung der EU-Grundrechteagentur 58 Prozent der befragten transTransgeschlechtliche Menschen identifizieren sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.* und transsexuellen Personen aus Deutschland an, in den zurückliegenden zwölf Monaten diskriminiertDiskriminierung bedeutet, dass Menschen schlechter behandelt werden oder Nachteile für sie bestehen, weil sie bestimmte Merkmale haben beziehungsweise ihnen diese Merkmale zugeschrieben werden. oder belästigt worden zu sein.1
Besonders einschneidend wirken sich transfeindliche DiskriminierungenDiskriminierung bedeutet, dass Menschen schlechter behandelt werden oder Nachteile für sie bestehen, weil sie bestimmte Merkmale haben beziehungsweise ihnen diese Merkmale zugeschrieben werden. auf die Lebensrealitäten von Menschen aus, die zusätzlich mit Rassismus, Armut oder Einschränkungen ihrer Autonomie durch eine Behinderung konfrontiert sind. Transfeindlich motivierte Abwertungen oder Angriffe treffen übrigens nicht nur Menschen, die tatsächlich transgeschlechtlich sind: Auch andere Personen können zur Zielscheibe werden, wenn ihr GeschlechtsausdruckGeschlechtsausdruck bezeichnet die Art und Weise, wie Menschen ihre Geschlechtsidentität nach außen darstellen beziehungsweise sich geschlechtlich präsentieren. von der NormGesellschaftliche Normen (lat. „norma“ Richtschnur, Regel) bezeichnen allgemein anerkannte, als verbindlich geltende Verhaltensregeln, die das Zusammenleben von Menschen organisieren. abweicht.
Arbeitsmarkt und öffentlicher Raum
Trotz überdurchschnittlicher Bildung gab in der Studie "Out im Office" rund ein Viertel der trans* Befragten ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1000 Euro an (in der Teilgruppe der nicht-binären„Nicht-binär“, „non-binary“ oder auch „genderqueer“ sind Selbstbezeichnungen für eine Geschlechtsidentität, die sich nicht in der Gegenüberstellung von Mann oder Frau beschreiben lässt. Befragten sogar 40 Prozent).2 Viele erlebten am Arbeitsplatz Ausgrenzung oder Kontaktabbruch (39 Prozent), Imitieren und Herabwürdigung ihrer Gestik oder Stimme (32 Prozent), den Entzug des Kund_innenkontakts (16 Prozent) oder eine Kündigung (acht Prozent) aufgrund ihres Transseins.3
Zu Gewalttaten und Beleidigungen auf der Straße fehlen belastbare Zahlen, weil transfeindliche Taten in Statistiken über Hasskriminalität nicht von homo- oder bifeindlichen Vorfällen getrennt ausgewiesen werden und die Meldebereitschaft als gering gilt.4 Die Staatsanwaltschaft Berlin ordnete 2017 und 2018 jeweils etwa 50 Fälle als transfeindlich ein, darunter Schläge, Tritte und Messerstiche in den Unterbauch, Bespucken und Beleidigungen sowie Todesdrohungen.5
Familie und Schule
Die eigene Familie scheint in vielen Fällen für trans* Kinder und Jugendliche kein sicherer Ort zu sein: In einer Befragung transgeschlechtlicherTransgeschlechtliche Menschen identifizieren sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Jugendlicher gaben 79 Prozent an, dass ihre Familie ihre GeschlechtsidentitätDie Geschlechtsidentität bezeichnet das Wissen und Empfinden eines Menschen über sein eigenes Geschlecht. nicht ernst genommen habe. Insbesondere trans* Mädchen und junge trans* Frauen berichteten darüber hinaus, selbst in der Familie beschimpft oder lächerlich gemacht (22 Prozent) oder körperlich angegriffen worden zu sein (sechs Prozent; bei nicht-binären Jugendlichen acht Prozent).6 Auch in der Schule sind dieser Studie zufolge Beleidigungen (44 Prozent) und Ausgrenzung (36 Prozent) Teil transgeschlechtlicher Alltagserfahrung.7
Ausgrenzung und Gewalterfahrungen führen dazu, dass trans* Personen häufiger Selbstmordversuche begehen als cisgeschlechtlicheDie Begriffe „cisgeschlechtlich“, „cisgender“ oder „cis“ (lat. „cis-“: diesseits) beschreiben Menschen, die sich dem Geschlecht zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Menschen. Unterstützung des direkten sozialen Umfelds sowie verringerte Transfeindlichkeit in der Gesellschaft allgemein können dem entgegenwirken.8
Diskriminierende Strukturen und Diskurse
Auch Gesetze oder Institutionen können trans* Menschen schlechterstellen. Verschiedene Menschenrechtsorgane und Rechtsexpert_innen sehen etwa eine Diskriminierung darin, dass trans* Menschen ihren GeschlechtseintragAls Geschlechtseintrag wird der behördliche Vermerk über das Geschlecht im Geburtsregister und in Ausweisdokumenten bezeichnet. in Deutschland derzeit nur über den Weg psychiatrischer Begutachtungen mit ihrem Geschlecht in Einklang können.9 Das Bundesfamilienministerium listet in einem Positionspapier notwendige Änderungen auf und versucht eine Verbesserung der rechtlichen Situation von trans* Menschen zu erreichen.
Individuelle Anfeindungen, strukturelle Ausschlüsse und institutionelle Hürden gehen Hand in Hand mit alltäglichen Abwertungen transgeschlechtlicher Personen in Werbespots, respektlos formulierten Zeitungsmeldungen oder Büro-"Witzen". Hier gilt es ebenso wie in der Politik einen Anfang zu machen beziehungsweise einen Schlussstrich zu ziehen und Flagge gegen Alltagsdiskriminierung zu zeigen. Auch so gelingt es in unserer Gesellschaft, trans* Menschen zu stärken und ihr Recht auf gleichwertige Lebensbedingungen anzuerkennen.
1 Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (2014): Leben als Trans* in der EU. Vergleichende Datenanalyse aus der EU-LGBT-Erhebung. Zusammenfassung, S. 3. Zuletzt abgerufen am 20.02.2019 von fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2015-being-trans-eu-comparative-summary_de.pdf.
2 Frohn, Dominic/Meinhold, Florian/Schmidt, Christina (2017): Out im Office?! Sexuelle Identität und Geschlechtsidentität, (Anti-)Diskriminierung und Diversity am Arbeitsplatz. Herausgegeben von IDA | Institut für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung, S. 22, 26f. Zuletzt abgerufen am 20.02.2019 von www.diversity-institut.info/downloads/IDA_Out-im-Office_Web_180811.pdf.
3 Ebd., S. 50f.
4 Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (2014): Leben als Trans* in der EU. Vergleichende Datenanalyse aus der EU-LGBT-Erhebung. Zusammenfassung, S. 20, 60f. Zuletzt abgerufen am 20.02.2019 von fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2015-being-trans-eu-comparative-summary_de.pdf.
5 Schriftliche Auskunft der Oberstaatsanwältin Ines Karl, Ansprechperson für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei der Staatsanwaltschaft Berlin, vom 22.02.2019.
6 Krell, Claudia/Oldemeier, Kerstin (2017): Coming-out – und dann...?! Coming-out-Verläufe und Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und queeren Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland. Opladen/Berlin/Toronto: Barbara Budrich, S. 163.
7 Ebd., S. 169.
8 Sauer, Arn/Meyer, Erik (2016): "Wie ein grünes Schaf in einer weißen Herde". Herausgegeben vom Bundesverband Trans*, S. 50, 58. Zuletzt abgerufen am 06.03.2019 von https://www.bv-trans.de/portfolio-item/wie-ein-gruenes-schaf/.
9 Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (2017): Abschließende Bemerkungen zum kombinierten siebten und achten periodischen Staatenbericht Deutschlands, S. 18. Zuletzt abgerufen am 20.02.2019 von www.bmfsfj.de/blob/119744/a354e40a34ee989e50cffd790e6d64d2/20170926-2017-cedaw-abschliessende-bemerkungen-deu-arbeitsuebersetzung-data.pdf; Adamietz, Laura/Bager, Katharina (2017): "Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlechtliche Menschen. Begleitmaterial zur Interministeriellen Arbeitsgruppe Inter- & Transsexualität, Band 7". Herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, S. 10. Zuletzt abgerufen am 20.02.2019 von www.bmfsfj.de/blob/jump/114064/regelungs--und-reformbedarf-fuer-transgeschlechtliche-menschen---band-7-data.pdf; Parliamentary Assembly of the Council of Europe (2015): Resolution 2048. Discrimination against transgender people in Europe, Nr. 6.2.2. Zuletzt abgerufen am 20.02.2019 von http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-EN.asp?fileid=21736&lang=en.