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Ausgrenzung macht krank: Gesundheitsrisiken für Homo- und Bisexuelle

Lesbische, bisexuelle und schwule Menschen sind spezifischen und weitreichenden Gesundheitsbelastungen ausgesetzt. Diese haben oft mit Stigmatisierung, Diskriminierung und Ausgrenzung zu tun. Auch das Gesundheitswesen ist davon (noch) nicht frei.

Welche spezifischen Gesundheitsrisiken für Lesben, Schwule und Bisexuelle gibt es?

Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass lesbische, bisexuelle und schwule Menschen mit besonderen Gesundheitsbelastungen zu kämpfen haben. Sie sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deutlich öfter von psychischen und psychosozialen Problemen betroffen, und zwar vor allem von Depressivität, Angst-„Störungen“, Suizidalität und Drogenkonsum.1 

Schwule und bisexuelle Jugendliche haben – im Vergleich zu heterosexuellen – ein bis zu sechsmal höheres Risiko, Selbstmordversuche zu begehen.2 Ein erhöhtes Risiko von Abhängigkeitserkrankungen wurde vor allem für lesbische Frauen festgestellt.3 Depressive Erkrankungen sind für alle LSB bis ins Alter hinein häufig: Während in der Allgemeinbevölkerung bei acht bis zehn Prozent der älteren Menschen eine Depression geschätzt wird, berichten etwa 30 Prozent der über 60-Jährigen LSB über wiederkehrende depressive Episoden.4 Besonders betroffen von HIV/Aids sind schwule Männer, die etwa zwei Drittel aller mit dem HI-Virus Infizierten in Deutschland ausmachen.5

Womit haben diese Gesundheitsrisiken zu tun? 

Angst vor und konkrete Erfahrungen von Stigmatisierung, Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gehören zum Alltag vieler Menschen. Der daraus resultierende tiefgreifende Stress wird verinnerlicht, mitunter auch in Form der Übernahme negativer Einstellungen gegenüber der eigenen Gruppe. Er kann sich in psychischen Problemen manifestieren, sofern er nicht – vor allem durch soziale Unterstützung – abgemildert und überwunden werden kann.6 Diese Erklärung stützt sich auf das in der Gesundheitswissenschaft anerkannte „Minoritätenstressmodell“. 7

Welchen Hürden begegnen Lesben, Schwule und Bisexuelle im Gesundheitssystem?

Auch im Gesundheitsbereich befürchten und/oder erleben Menschen nach wie vor Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, was wiederum ihre medizinische Versorgung verschlechtert.8 Dies betrifft insbesondere den ländlichen Raum, in dem spezifische Versorgungsangebote selten sind.9

Auch ist (Homo-/Bi-)Sexualität zwischen Patient*in und Ärzt*in oft immer noch ein Tabu, sei es aufgrund von Unsicherheit und Schamgefühlen (auf beiden Seiten) oder aus Angst, abgelehnt und abgewertet zu werden. Als Folge finden sexualitätsbezogene Fragen, etwa in Bezug auf HIV-Prävention oder HIV-Testung, wenig Platz. 

Um diese Hürden zu überwinden, bieten seit einigen Jahren Community- und Fachverbände in Zusammenarbeit mit ärztlichen Vereinigungen verstärkt Fortbildungen zu sexualitäts- und diversitätsbezogenen Themen an. Im Hinblick auf eine nachhaltige Sensibilisierung für LSB-spezifische Gesundheitsbelange ist es gleichwohl notwendig, diese frühzeitig und systematisch in Studium und Ausbildung von Mediziner*innen, Pfleger*innen und künftigem Leitungspersonal im Gesundheitssystem zu verankern.

1 Plöderl, Martin, Sauer, Joachim & Fartacek, Reinhold (2006): "Suizidalität und psychische Gesundheit von homo- und bisexuellen Männern und Frauen – Eine Metaanalyse internationaler Zufallsstichproben". In: Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis. 2006, 38/3, S. 537-558. 

2  Russell, Stephen T. & Fish, Jessica N. (2016): "Mental Health in Lesbian, Gay, Bisexual, and Transgender (LGBT) Youth". In: Annual Review of Clinical Psychology. 2016, 12, S. 465–487.

3 Wolf, Gisela (2011): "Lesbische und bisexuelle Frauen und Sucht". Zuletzt abgerufen am 23.10.2019 von www.yumpu.com/de/document/read/5623681/lesben-und-bisexuelle-frauen-und-sucht-verband-lesbischer-/; Dennert, Gabriele (2005): Die gesundheitliche Situation lesbischer Frauen in Deutschland. Herbolzheim: Centaurus. 

4 Langer, Phil C. (2017): "Gesundes Altern schwuler Männer.". In: Bundesinteressensvertretung schwuler Senioren e.V. Zuletzt abgerufen am 31.03.2018 von http://schwuleundalter.de/wp-content/uploads/2017/07/Gesundes-Altern-schwuler-Männer_Phil-Langer.pdf.

5 O.A. (o.D.): "HIV (AIDS)". In: Robert Koch-Institut. Zuletzt aufgerufen am 31.3.23018 von www.rki.de/DE/Content/InfAZ/H/HIVAIDS/hiv_node.html.

6 McConnell, Elizabeth, A., Birkett, Michelle A., Mustanski, Brian (2015): "Typologies of Social Support and Associations with Mental Health Outcomes Among LGBT Youth". In: LGBT Health. 2015, 2/1, S. 55-61.

7 Meyer, Ilan H. (2003): "Prejudice, Social Stress, and Mental Health in Lesbian, Gay, and Bisexual Populations: Conceptual Issues and Research Evidence". In: Psychological Bulletin. 2003, 129/5, S. 674-697.

8 Seyler, Helga (2004): "Lesben, die unsichtbaren Patientinnen". Bericht vor der Enquetekommission "Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW".

9 Lyons, Anthony, Hosking, Warwick, & Rozbroj, Tomas (2015): "Rural‐urban differences in mental health, resilience, stigma, and social support among young Australian gay men". In: The Journal of rural health, 2015, 31/1, S. 89-97; Gerlach, Heiko, Schupp, Markus & Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.) (2016): "Lebenslagen, Partizipation und gesundheitlich-/pflegerische Versorgung älterer Lesben und Schwuler in Deutschland: Expertise zum Siebten Altenbericht der Bundesregierung". Zuletzt abgerufen am 14.5.2018 von www.ssoar.info/ssoar/handle/document/49927; Deutsche AIDS-Hilfe (2012): "positive Stimmen verschaffen sich gehör! Die Umsetzung des PLHIV Stigma Index in Deutschland". Zuletzt abgerufen am 14.5.2018 von https://www.aidshilfe.de/sites/default/files/documents/positive%20stimmen%20Doku.pdf.